Lust auf Verantwortung

Kleine Kinder wollen gern Verantwortung übernehmen, weil es ihren persönlichen Freiraum erweitert. Wir Erwachsenen neigen dann dazu, ihnen Verantwortung wieder abzunehmen, besonders wenn wir es eilig haben. Das gibt es auch im Berufsleben, wenn Führungskräfte ihren Mitarbeitern Verantwortung abnehmen, weil es scheinbar schneller geht, als ihnen die Aufgabe zu erklären. Um dann ihre eigentliche Verantwortung an anderer Stelle vielleicht nicht wahrzunehmen.

Was hindert uns daran, unsere Verantwortung zu übernehmen? Zum Beispiel Bequemlichkeit. Und auch die Angst vor dem Scheitern. Wenn ich selbst entscheide, dann liegt es ja an mir. Dann bin ich schuld, wenn es schiefgeht. Freiheit und Verantwortung sind zwei Seiten derselben Medaille, wie Viktor E. Frankl betonte. Was uns zum Menschen macht, ist der freie Wille, die Freiheit zu entscheiden. Das hat zur Folge, dass wir für unsere Entscheidungen auch verantwortlich sind.

Was hat das Thema Verantwortung mit Gesundheit am Arbeitsplatz zu tun? Zum einen ist der Dienstgeber für die Sicherheit und Gesundheit der Belegschaft gesetzlich verantwortlich. Es gibt daher auch zahlreiche Studien und Berichte zu den Themen Burnout bzw. Gesundheit am Arbeitsplatz. Ein Einflussfaktor wird dabei oft unterschätzt oder übersehen: Das grundsätzliche Streben des Menschen nach einem Sinn im (Arbeits-)Leben.

Wie kann ich Sinn in meinem Leben erleben und erfüllen? Sinnerfüllung geschieht durch die Verwirklichung von Werten. Das gelingt oft durch die berufliche Arbeit an sich, sei es körperliche oder Wissens-Arbeit. Sinnerfüllung gelingt aber auch durch das bewusste Erleben und Wertschätzen der positiven Aspekte meiner Arbeit. Wir fokussieren leider immer noch sehr auf das Negative, auf die Gefahr, auf das „Raubtier“, das uns in Urzeiten bedroht hat. Das Positive nehmen wir als selbstverständlich hin und übersehen es oft. Schade eigentlich.

Auch gute Beziehungen sind ein Wert und die konstruktive und positive Gestaltung von Beziehungen am Arbeitsplatz sind eine wichtige Sinn-Aufgabe. Die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei den Führungskräften, sondern ganz besonders auch bei Kolleginnen und Kollegen untereinander. Und selbst wenn ich ungünstige, unabänderliche Rahmenbedingungen vorfinde, kann ich mich trotzdem dazu entscheiden, sie nicht weiter durch meine negative Reaktion, durch meinen Frust zu verschlimmern.

Verantwortung übernehmen ist oft anstrengend und manchmal riskant. Aber der Mensch findet den Sinn seiner Existenz nur in der aktiven Beantwortung der Fragen, die das Leben stellt. Wenn immer möglich in der Gestaltung der äußeren Umstände, ansonsten aber auch durch die Gestaltung der inneren Haltung und Einstellung. Verantwortung übernehmen heißt, der Einmaligkeit und Einzigartigkeit meiner Person gerecht werden, und in der Welt meinen persönlichen „Abdruck“ hinterlassen.

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