„Zeiten im Umbruch – können wir uns die Zukunft noch leisten?“

So lautete der Titel einer eindrucksvollen Veranstaltung vergangenen Freitag im Waldviertel. Die Antworten der Podiums-Diskutanten auf diese Frage waren vielfältig, und auch die SINN-Frage kam nicht zu kurz.

Am 23.09.2016 lud der Wirtschaftsbund Zwettl zu einer Podiumsdiskussion, unter anderem mit WKNÖ-Präsidentin Sonja Zwatzl, Finanzminister Hans-Jörg Schelling, Unternehmensberater Harald Pichler sowie UnternehmerInnen aus der Region. Den Auftakt machte Josef Wallenberger mit einem beeindruckenden Impulsreferat zur Wirtschaftsentwicklung des Waldviertels, das auch mit einem veralteten Bild aufräumte: „Seit 2009 gibt es mehr Zuwanderung als Abwanderung. Das Waldviertel ist eine Zukunfts-Region.“ Danach gab Gastgeber und Moderator Gerhard Rößler den eingeladenen Gästen die Möglichkeit, die Eingangsfrage aus der Sicht der regionalen Unternehmen zu erörtern. Dabei wurde das positive Bild des Eingangsvortrages nur teilweise bekräftigt. Die Anwesenheit der Wirtschaftskammer-Präsidentin und des Finanzministers wurde auch genutzt, um auf bürokratische Hürden und Erschwernisse hinzuweisen. Dennoch fielen auch Sätze wie: „Eigentlich geht es uns wirklich gut!“

Noch vor den beiden Politikern wurde Harald Pichler zu seinen Erfahrungen mit Umbruchs-Situationen aus der Unternehmensberatung, vor allem auch im Lichte der Sinn-Orientierung gefragt. Kernaussage dabei: Die Balance von Freiheit und Verantwortung – bei den Unternehmern, den Führungskräften und Mitarbeitern aber auch den Konsumenten. Die Betonung „Österreich zuerst“ wird ja weitgehend im Rahmen von Sozialleistungen strapaziert. Ob dieselben Personen dann auch beim Einkauf (im Internet?) auf diese Haltung achten, sei dahingestellt und beantwortet sich ohnehin von selbst. Jedenfalls konnte Harald Pichler berichten, dass Unternehmen und Organisationen zunehmend Interesse am Thema Sinn- und Werte-Orientierung zeigen. Sowohl als wirksamer Motivationsfaktor für die Mitarbeitenden aber auch als wichtiger Beitrag zur Betrieblichen Gesundheitsförderung.

Den Aufruf zur Eigenverantwortung hat WKNÖ-Präsidentin Sonja Zwatzl aufgegriffen und die anwesenden UnternehmerInnen eingeladen, mit Ideen und Vorschlägen die Interessensvertretung mitzugestalten.  Diese Einladung wurde vor allem von Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann freudig angenommen, dem es bekanntlich seit seiner Unternehmensgründung nie an Engagement und Verantwortungsbereitschaft mangelte. Als erfahrene Unternehmerin zeigte allerdings auch Sonja Zwatzl Verständnis für die Herausforderungen des Unternehmertums.

Finanzminister Hans-Jörg Schelling, nach beeindruckenden 75 Minuten schweigsamen Zuhörens auch um seine Position befragt, stellte die Eingangsfrage gleich auf den Kopf: Angesichts der rekordverdächtigen Sozialleistungen in Europa (im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung) sollte sie eigentlich lauten: „Kann sich die Zukunft uns noch leisten?“ Mit Hinweis auf Steuerlast und Pensions-Entwicklung stellte er den Vollkasko-Staat klar in Frage. Gleichzeitig verwehrte er sich gegen neue Steuern und betonte die Wichtigkeit einer Wirksamkeitsprüfung und Folgekostenabschätzung vor der Einführung neuer Gesetzte und Verordnungen. Mit hinderlichen Rahmenbedingungen hat er ebenso seine Erfahrungen wie die anwesenden UnternehmerInnen: Ein Drittel seiner Ideen würden von der eigenen Partei zerpflückt, ein weiteres Drittel danach vom Koalitionspartner und was davon übrig bleibt ist dann oft nicht mehr wert, umgesetzt zu werden. Dennoch betonte auch Schelling, wie wichtig es in der Politik wäre, zuerst den Sinn einer Entscheidung für die Bevölkerung in den Vordergrund stellen und nicht nur die Auswirkung auf Umfrageergebnisse und Wählerstimmen.

Die nachfolgenden Fragen und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum richteten sich dann auch meist an Finanzminister Schelling, der selbst bei den Themen Registrierkassenpflicht und Bankomat-Gebühr nicht aus der Fassung zu bringen war. Sein Hinweis „Eine Koalition ist wie eine Ehe: man löst gemeinsam die Probleme, die man allein nicht hätte“ zeigte auf, dass aus seiner Sicht mehr Reformen und Vereinfachungen für die Wirtschaft nötig wären, als derzeit möglich sind.

Fazit: Dem Waldviertel geht es gut und der Blick in die Zukunft sollte eigentlich ein optimistischer sein. Dass kein Unternehmer glücklich mit Vorschriften und Rahmenbedingungen ist und dass hinsichtlich Bürokratie-Abbau noch viel zu tun ist, wurde einmal mehr deutlich. Aber, wie Harald Pichler in seiner Wortmeldung betonte: Angesichts unabänderlicher, schicksalhafter Rahmenbedingungen sollten wir uns von der „Warum?“-Frage verabschieden, und uns vielmehr die Frage stellen: „Wozu fordert mich das heraus?“

(Foto: Pamela Schmatz)