„Nichts zu Essen bekommen, und dafür auch noch Geld bezahlen? Was soll das für einen Sinn und Zweck haben?“ Dies ist nur eine von vielen Reaktionen auf die Ankündigung, sich zu einer Fastenwoche in ein Kloster zurückzuziehen. Eine weitere, oft gehörte Bemerkung: „Ich würde auch gern einmal fasten, aber das halte ich sicher nicht durch.“ Diese Aussagen sind einerseits verständlich, beruhen aber auf ein paar entscheidenden Irrtümern, die dem besonderen Erlebnis des Fastens im Wege stehen.
Erstens: Fasten ist nicht gleich Hungern. Zweitens: Sinn ist nicht gleich Zweck. Drittens: Wir können weit mehr durchhalten, als wir vielleicht vermuten. Aber der Reihe nach: Fasten ist der bewusste Verzicht, für einen begrenzten Zeitraum auf feste Nahrung zu verzichten (Auch die flüssige Kalorienaufnahme wird auf maximal 200 kcal pro Tag begrenzt – also kein Bockbier oder ähnliches). Mit einer professionellen Fastenbegleitung und vor allem mit der richtigen Vorbereitung halten sich die negativen Begleiterscheinungen in Grenzen. Wer glaubt, bis zum letzten Tag davor noch ordentlich Zucker, Alkohol, Koffein und Nikotin auf Vorrat im Körper einlagern zu müssen, darf sich nicht über Entzugserscheinungen wundern. Das stufenweise Reduzieren dieser vermeintlichen Glücksbringer in der Woche vor dem eigentlichen Fasten, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Fasten tatsächlich zu Wohlbefinden führt.
Die Fastenwoche selbst erzeugt teilweise euphorisches Erstaunen über die Fähigkeit des eigenen Körpers, sich auf die ungewohnte Kalorienreduktion einzustellen. Ausreichend Wasser und Tee, viel Bewegung an der frischen Luft und eine Kombination aus Gemeinschaft und Rückzug, bewirken ein einzigartiges, neuartiges Körpergefühl. Aber auch eine Horizonterweiterung für Psyche und Geist. Und dieser wohltuende Zustand lädt dann auch zur Reflexion der eigenen Standpunkte, Werte und Lebens-Motive ein. Ideale Voraussetzungen also, um sich den persönlichen Sinn-Fragen zu stellen.
Die Beschäftigung mit dem Sinn der eigenen Existenz muss dabei nicht unbedingt ins philosophische abgleiten, sondern kann sehr praktische Fragen aufwerfen. Zum Beispiel: Welche Werte sind mir wichtig? Lebe ich diese Werte auch? Wozu arbeite ich? Welchen Beitrag leiste ich? Erlebe ich meine Arbeit als sinnerfüllt? Und wenn nicht: Was sollte ich dann tun? Woher sonst könnte ich mir Sinnerfahrungen holen?
Der Neurologe Viktor E. Frankl hat in seinem umfangreichen Werk darauf hingewiesen, dass auch Verzicht eine Leistung ist. So ist Fasten eine durchaus beeindruckende Leistung, die Körper und Psyche regeneriert und den Geist freimacht für die Fragen, die uns das Leben immer wieder stellt. Das ermöglicht uns den entscheidenden Perspektivenwechsel, um Antworten auf die Sinn-Fragen unseres Lebens zu finden. Wobei der Sinn-Gehalt des Fastens nicht nur in einer geistigen Neuausrichtung liegt, sondern auch medizinisch nachweisbare, höchst förderliche Auswirkungen auf unseren Körper und seine Regenerationsfähigkeit hat. Besonders eindrucksvoll werden die Effekte auf die Selbstheilungsmechanismen im Film „Fasten und Heilen“ (ARTE) dargestellt. Fasten ist demnach in vielerlei Hinsicht ein SINN-voller Verzicht.
Der Zusammenhang zwischen Fasten und Sinn wurde auch im Fastenkloster Pernegg (Waldviertel, NÖ) erkannt. Zum einen ist dort eine Darstellung der wesentlichsten Einsichten und Erkenntnisse von Viktor Frankl in Vorbereitung, um den Fasten-TeilnehmerInnen Anregungen für die Beantwortung der persönlichen Lebensfragen zu geben. Darüber hinaus sind auch zwei Themen-Fastenkurse im Mai und im Oktober geplant, die das Gesund-Fasten nach Otto Buchinger mit praktischen Sinn-Impulsen in Anlehnung an Viktor Frankl verbinden. Da können einem dann Einsichten begegnen, die auch für die Zeit nach dem Fasten recht hilfreich sind. Zum Beispiel: „Ich muss mir von mir selbst nicht alles gefallen lassen.“
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